Die Entstehung einer degenerativen Demenzen (insbes. der Alzheimer-Demenz) beginnt in der Regel mehrere Jahre vor den ersten kognitiven und behavioralen Symptomen. Deswegen ist es von Bedeutung, Kriterien zu entwickeln, die ein Demenzsyndrom in einem frühen Stadium erkennen lassen, wodurch eine frühzeitige Intervention ermöglicht wird. Die International Society to Advance Alzheimer´s Research and Treatment (ISTAART) hat sich zum Ziel gesetzt, die Alzheimer-Krankheit zu erforschen, sodass eine bestmögliche Behandlung möglichst frühzeitig erfolgen kann.
Vorboten einer Demenz zeigen sich anhand von kognitiven (Mild Cognitive Impairment, MCI) und behavioralen Einschränkungen (Mild Behavioral Impairment – MBI). MBI ist durch leichte neuropsychiatrische Symptome gekennzeichnet und zeigt sich anhand von Auffälligkeiten bezüglich Stimmung und Verhaltens. Eine derartige Symptomatik hängt mit einer höheren Pflegebelastung (Fischer et al., 2012), einer geringeren Lebensqualität (Karttunen et al., 2011) und einer ausgeprägteren Demenzsymptomatik (Peters et al., 2015; Zubenko et al., 1991) zusammen.
Die ISTAART-Kriterien für Mild Behavioral Impairment (MBI) umfassen nach Ismail et al. (2016):
Zur Erfassung von MBI wurde die Mild Behavioral Impairment Checklist (MBI-C) mit 34 Items entwickelt und validiert (Ismail et al., 2017).
Die hier vorgestellte Mild Behavioral Impairment Scale (MBI-S) ist eine Kurzskala mit 8 Items zur Erfassung von Mild Behavioral Impairment. Sie wurde von Hinkl et al. (2025) entwickelt und validiert.
Die MBI-S zielt nicht darauf ab, die Diagnosekriterien für „Mild Behavioral Impairment“ abzudecken; z. B. eine andauernder Symptomatik innerhalb der letzten 6 Monate. Sie ist somit kein Diagnoseinstrument für Mild Behavioral Impairment. Mit der MBI-C wird Mild Behavioral Impairment wesentlich differenzierter erfasst.
Die MBI-S hat jedoch gegenüber der MBI-C drei Vorteile:
- Sie ist wesentlich kürzer und damit sehr „test-ökonomisch“.
- Sie enthält keine Fragen, deren soziale Unerwünschtheit offensichtlich ist (z.B. kürzlich mit Ladendiebstahl begonnen).
- Die Fragen der MBI-S beziehen sich auf den zurückliegenden Zeitraum von 4 Wochen. Die MBI-S ist damit geeignet, Veränderungen des Konstrukts „Mild Behavioral Impairment“ über die Zeit zu erfassen, z. B. Veränderungen in Interventionsstudien.
Fischer, C. E., Ismail, Z., & Schweizer, T. A. (2012). Delusions increase functional impairment in Alzheimer’s disease. Dementia and Geriatric Cognitive Disorders, 33(6), 393-399.
Hinkl, P., Graessel, E., Rohleder, N., Landendoerfer, P., Kuehlein, T., Lauer, N., & Pendergrass, A. (2025). Validation of the Mild Behavioral Impairment Scale (MBI-S) for brief self-assessment of Mild Behavioral Impairment in people without dementia. Annals of General Psychiatry, 24(1), 1-13.
Karttunen, K., Karppi, P., Hiltunen, A., Vanhanen, M., Välimäki, T., Martikainen, J., … & ALSOVA Study Group. (2011). Neuropsychiatric symptoms and quality of life in patients with very mild and mild Alzheimer’s disease. International Journal of Geriatric Psychiatry, 26(5), 473-482.
Peters, M. E., Schwartz, S., Han, D., Rabins, P. V., Steinberg, M., Tschanz, J. T., & Lyketsos, C. G. (2015). Neuropsychiatric symptoms as predictors of progression to severe Alzheimer’s dementia and death: the Cache County Dementia Progression Study. American Journal of Psychiatry, 172(5), 460-465.
Zubenko, G. S., Moossy, J., Martinez, A. J., Rao, G., Claassen, D., Rosen, J., & Kopp, U. (1991). Neuropathologic and neurochemical correlates of psychosis in primary dementia. Archives of Neurology, 48(6), 619-624.
Mild Behavioral Impairment Scale (MBI-S)